Arno Del Curto hat seinen Mut in Davos vergessen

Den ZSC Lions läuft es unter dem neuen Trainer Arno Del Curto nicht besser als unter seinem Vorgänger Serge Aubin. In Zürich scheint Del Curto nicht mehr der gleiche zu sein wie in Davos.

Den Start als Trainer der ZSC Lions hatte sich Arno Del Curto sicherlich anders vorgestellt. Nach einer 1:0 Niederlage im Premierenspiel gegen die SCL Tigers folgte am Tag darauf immerhin die Revanche und der erste Sieg. Im dritten Spiel gingen die Zürcher gegen Fribourg komplett unter und verloren mit 7:2. In Spiel vier und fünf folgten erstmals zwei Siege hintereinander, doch die beiden Siegestore fielen jeweils dank umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen zu Gunsten der Zürcher. Seither folgten nur noch Niederlagen, vier um genau zu sein.

Sowohl der EV Zug als auch der HC Ambri-Piotta haben diese diskutablen Entscheidungen der Offiziellen vermutlich schon längst vergessen. Aber denken wir noch einmal kurz zurück: Was wäre gewesen, wenn die beiden Tore den ZSC Lions nicht zugesprochen worden wären? Möglicherweise hätte der Meister beide Spiele verloren. Und dann hätte Del Curto eine Bilanz von acht Niederlagen aus neun Spielen. Grund genug, um bei den ZSC Lions den Trainer zu entlassen!

Gegen Zug sorgte ein Vergehen von Pius Suter an Sandro Aeschlimann, gegen Ambri ein Stockschlag von Patrick Geering für Aufsehen. (TOPpictures/Sergio Brunetti)

Arno Del Curto hat heute aber eine Bilanz von drei Siegen aus neun Spielen. Bisher hat sich der Trainerwechsel punktetechnisch noch überhaupt nicht ausbezahlt. Selbst Del Curtos Vorgänger Serge Aubin hätte es geschafft, in neun Spielen sechs Mal zu verlieren.

Keiner weiss, woran es liegt

Selbst die grössten ZSC-Gurus wissen momentan nicht, weshalb es der Mannschaft in dieser Saison so schlecht läuft. Das Spiel gegen Genf-Servette sei «das schlechteste Spiel in den letzten dreissig Jahren gewesen», hörte von einzelnen sicherlich genervten Fans.

Tatsächlich grenzte die Leistung der Zürcher zu Beginn des Spiels an eine Arbeitsverweigerung. Kein Wunder lag man nach 90 Sekunden mit 0:2 in Rückstand. Sowohl Guillaume Meillard als auch Daniel Winnik konnten die Scheibe nach einem Querpass unbedrängt ins fast leere Tor schieben. Es herrschte ein Chaos auf Seiten der Zürcher, keiner wusste, was er genau zu tun hatte, niemand deckte seinen Gegenspieler. Und so kam es, wie es kommen musste: Die vierte Niederlage in Serie, während das neuntplatzierte Genf nun punktgleich mit den Zürchern dasteht.

Eine Erklärung zu suchen, scheint fast unmöglich zu sein. Auch Del Curto fällt es schwierig, das Auftreten seiner Mannschaft zu erklären. Klar ist, dass der Gegner durch individuelle Fehler und Konzentrationsmängel immer wieder zu Möglichkeiten kommt. Doch wie stellt man diese ab? Bei einem Team wie den ZSC Lions darf man eigentlich davon ausgehen, dass solche vermeidbaren Fehler nicht passieren. Entweder sind die Spieler zu nervös auf dem Feld und haben Angst vor Fehlern (so dass diese eben erst passieren) oder man hat den Ernst der Lage noch immer nicht erkannt. In beiden Fällen müsste Del Curto augenblicklich handeln.

Arno Del Curto war in Davos für seinen Mut, auf junge Spieler zu setzen, bekannt. (
TOPpictures/Sergio Brunetti)

Keine Veränderungen auf dem Matchblatt

Wenn man sich die gestrige Aufstellung im Vergleich zu derjenigen vor ein paar Monaten anschaut, erkennt man grundsätzlich keinen Unterschied. Sogar noch schlimmer: Unter Serge Aubin kamen - auch wenn teilweise verletzungsbedingt - mehr Spieler der GCK Lions zum Einsatz als unter dem Jugendförderer Del Curto. Yannick Brüschweiler ist bisher der einzige junge Spieler des Farmteams, der unter dem neuen Trainer einmal zum Einsatz gekommen ist. Tim Ulmann, der 31-jährige Routinier, könnte man ebenfalls knapp noch dazuzählen.

Ansonsten spielten bisher immer die gleichen Leute: keine Experimente, keine Risiken, kein Mut. In Davos hat das unter Arno Del Curto definitiv anders ausgesehen. Christian Marti und Dave Sutter hätten in Davos längst schon mindestens eins, zwei Spiele von der Tribüne aus zuschauen müssen. Sie brachten gegen Genf mehr Risiko als Stabilität in die Hintermannschaft: versprungene Pucks, Fehlpässe, verlorene Zweikämpfe. Viel mehr war von den beiden nicht zu sehen. Nicht einmal einen etwas härteren Check von den zwei Brocken (190 cm und 194 cm), der etwas Emotionen ins Spiel gebracht hätte.

Aber nicht nur in der Verteidigung spielen viele Kräfte nicht auf ihrem Niveau. Fabrice Herzog, Reto Schäppi und Pius Suter gehören alle in den erweiterten Kreis der Nationalmannschaft, bringen in der National League aber kaum ein Bein vors andere. Bei den GCK Lions hätte man junge, hungrige Spieler in der Hinterhand wie eben Brüschweiler, Kaj Suter und Justin Sigrist. Sie alle wollen eines Tages in der National League spielen.

Weshalb setzt Del Curto die altbewährten Stars nicht einmal auf die Tribüne und gibt den jungen Leuten das Vertrauen. So wie er es in Davos auch gemacht hatte. Hat er Angst vor dem Scheitern? Sind ihm die Spieler doch plötzlich zu gross geworden? In Davos war er teilweise gezwungen auf den Nachwuchs zu setzen, da er dort nicht so ein breites Kader hatte. In Zürich zeigt sich, dass der 62-Jährige vielleicht doch nicht so viel Mut besitzt, wie alle geglaubt haben. Einen Fabrice Herzog, immerhin WM-Doppeltorschütze gegen Kanada, auf die Tribüne setzen? Einen Reto Schäppi, immerhin WM-Silbermedaillengewinner, ebenfalls? Unvorstellbar.

Arno Del Curto hat seinen Mut, der ihn jahrelang prägte, in Davos vergessen. In Zürich ist eben doch alles ein bisschen grösser als in Davos. Und der ZSC ist eben doch nicht mehr derselbe ZSC wie vor 25 Jahren. Die Erwartungen sind grösser geworden. Wenn der Trainer Arno Del Curto heisst, umso mehr. Auch wenn er mit den ZSC Lions den Gang in die Playouts antreten müsste, bleibt er einer der grössten Schweizer Trainer aller Zeiten, wenn nicht sogar der grösste. Aber es wäre eine grosse Niederlagen für alle Beteiligten, und vor allem für ihn selbst.