Die Schweizer Torhüter – die Zukunft der Nati-Torhüter

Seit der Spielzeit 2022/23 gilt eine neue Ausländerregelung in der Schweizer National League. Bei dieser Aufstockung von 4 auf 6 wurden von einigen Mannschaften auch ausländische Torhüter engagiert. In dieser Saison spielten 5 Clubs mit Imports, und wie erwartet, waren es keine Ergänzungsspieler, sondern Nr. 1 Goalies. Keiner wurde in weniger als 33 von total 52 Partien eingesetzt. In den Playoffs war das Verhältnis noch einseitiger.

Mit welchen Goalies kann in der nächsten Zukunft gerechnet werden?

Auf der anderen Seite befinden sich einige der Schweizer No.1 Torhüter im Herbst- bis Spätherbst ihres Lebens. Leonardo Genoni (35) und Reto Berra (36), sowie auch die Backups wie Daniel Manzato (39), Sandro Zurkirchen (33) werden nicht mehr zur mittelfristigen Planung des Nationalteams gehören. Wer wird nachfolgen? Wer sind die jungen Talente und wo können sie Praxis und Erfahrung sammeln? Werden weitere Teams ihre Torhüter- Positionen mit Imports besetzen und wer sind die Anwärter für die Nationalmannschaft?

Das Nationalteam vor dem Spiel gegen Tschechien (JustPictures)

Trotz der guten Leistung von Robert Mayer in der Gruppenphase wird Leonardo Genoni für die K.-o.-Runde gesetzt sein. Als dritter Goalie ist Joren van Pottelberghe aufgeboten worden. Sowohl Mayer als auch van Pottelberghe spielten schon mehrmals international und Mayer kam sogar an den Weltmeisterschaften 2016 und 18 zum Einsatz, derweil van Pottelberghe schon mehrere internationale Turnier-Einsätze mit den Junioren bestritt. Der frisch gekrönte Schweizer Meister Robert Mayer, der sich nach einer ausgezeichneten Saison und überragenden Leistungen in den Playoffs in der Form seines Lebens befindet, drängte sich verdientermassen für die Nomination als Nr. 2 auf.

Weitere Kandidaten wie Ludovic Waeber, Gilles Senn, und Niklas Schlegel sind nicht erste Wahl bei ihren Clubs und erhielten in diesem Jahr wenig Eiszeit. Das wird sich auch nächste Saison nicht gross ändern, falls es keine verletzungsbedingten Ausfälle unter den Haupt-Goalies gibt. Im Gegensatz zu diesen spielten Sandro Aeschlimann bei Davos, Melvin Nyffeler bei den Rapperswil-Jona Lakers, Philip Wüthrich beim SC Bern oder Gauthier Descloux (bei Genève-Servette) die Saison auf der Nr. 1 Position.

Wie schon des Öfteren muss auch bei diesem Thema die Swiss League wieder erwähnt werden, sei es in ihrer Rolle als Ausbildungsliga oder für die temporäre «Platzierung» von Spielern, die in ihrem NL Team keine Eiszeit erhalten, hier aber wichtige Funktionen übernehmen können. Folgende Liste zeigt, welche Goalies vor ihrem Durchbruch in der NL die nötige Spielpraxis in der Swiss League holten, und bei welchen Vereinen:

Und die fernere Zukunft? Hier muss an erster Stelle natürlich der 22-jährige Akira Schmid genannt werden, der sich im Verlauf dieser NHL Saison steigerte und dermassen zuverlässig performte, dass er ab Spiel 3 der First Round Playoffs zwischen den Pfosten der New Jersey Devils stand und sein Team in die zweite Runde hexte. Sein 3-jähriger Entry Level Vertrag dauert noch bis 2024, danach kann er dank den gezeigten Leistungen einen weitaus höher dotierten Vertrag erwarten.

Werfen wir auch noch einen Blick auf die U18, wo die Junioren Liam Deussen, Ewan Huet und Christian Kirsch im Aufgebot der WM in der Schweiz vom April standen. Die U20 WM 2023 vom vergangenen Januar wurde von Alessio Beglieri (19), Mathieu Croce (20) und Kevin Pasche zwischen den Pfosten (20) bestritten. Aus diesem halben Dutzend Goalies wird vermutlich der eine oder andere zum zukünftigen Nationaltorwart heranreifen.

Schweizer Torhüter-Tradition

Bis zu dieser Saison waren Ausländer-Goalies in der Schweiz eher die Ausnahme, was zum einen natürlich damit zu tun hat, dass man keine der bis dahin nur vier Lizenzen für einen Keeper «opfern» wollte. Zum anderen produzierte die Schweiz immer hervorragende Torhüter, sogar überdurchschnittlich viele im Verhältnis zu anderen Nationen. Die Verantwortlichen konnten stets auf ein grosses Reservoir an begabten Goalies zurückgreifen. Daher waren es auch die Schweizer Torhüter, die sich zuerst in der NHL festsetzten. Auf der anderen Seite sorgten vor allem gute Importstürmer für die Differenz in der Schweizer Liga und die Qualitäts-Unterschiede waren markanter als bei den Goalies. Die Frage ist nun, ob sich die neue Ausländerregelung auf diese Tradition auswirken wird? Werden noch mehr Goaliepositionen mit Imports besetzt? Oder ist dies die Folge einer Vernachlässigung bei der Schweizer Torhüter-Nachwuchsarbeit? Also die berühmte Frage nach dem Huhn oder dem Ei.

Interessanterweise befinden sich die Schweizer Keeper bei der Anzahl bestrittener Spiele der Saison 2022/23 in der oberen Hälfte der Tabelle. Das bedeutet, dass diese klaren Nr. 1 Goalies mehr zwischen den Pfosten standen als ihre ausländischen Kollegen auf dieser Position. 

Anzahl Spiele 2022/23 

 

Bei der Anzahl erhaltener Gegentreffer (kleinster Wert pro Spiel) führt zwar Simon Hrubec die Rangliste an, aber nicht weniger als 5 Schweizer befinden sich unter den Top 7.

Anzahl erhaltene Tore/Spiel

 

Ob die neue Situation die Entwicklung des einheimischen Goalie-Nachwuchses beeinträchtigen wird, wird sich erst nach einiger Zeit zeigen, aber sicher werden die Junioren-Organisationen und Sportverbände darauf reagieren müssen. Und damit verbunden die Strukturen für die Übergänge von den Juniorenteams der diversen Schweizer Hockeyligen in die Profi-Stufen optimieren. Zugegebenermassen muss auch die Aufstockung der NL auf 14 Teams und der damit verbundene Mehrbedarf an Spielern berücksichtigt werden. Einige Spieler aus der Swiss League schafften dadurch sogar den Sprung in die oberste Liga und konnten sich durchsetzen. Trotzdem ist erwiesen, dass es gerade für junge Torhüter schwierig ist, überhaupt einmal das Vertrauen zu erhalten und Spielpraxis zu erlangen. Goaliepositionen sind begrenzt, in der National League braucht es nur 14 Nr.1- Goalies plus ebenso viele Backups.

Wird sich diese Entwicklung auf den zukünftigen Erfolg des Nationalteams auswirken? In den letzten zehn Jahren erkämpfte sich die Schweiz einen Platz in der Welt-Elite des Eishockey, nicht zuletzt auch dank aussergewöhnlichen Torhütern. Und diese Position unter den Top 8 seit 2013 wollen wir nicht verlieren, im Gegenteil, das Ziel ist die weitere, kontinuierliche Annäherung an die Spitze.

IIHF World Ranking 2003 - 2022 (Wikipedia)