Die Trainer der National League - Teil I

Ganz frei jeglicher Trainerdiskussionen oder Entlassungsspekulationen beschäftigen wir uns im ersten Teil unserer Serie mit den aktuellen Headchoaches in der National League. Dabei stehen Herkunft, Werdegang, Erfolge und auch ihre jeweiligen Strategien im Fokus. 

Gerade aufgrund der vielfältigen Trainertypen und deren Herkunft zeigen sich unterschiedliche Spielsysteme. Und weil mit einer guten Taktik auch technisch schwächere Teams gute Chancen gegen Top-Mannschaften haben, ist unsere Liga heute ausgeglichener denn je. Zuerst noch ein paar allgemeine Zahlen: 

Zurzeit coachen 6 Schweizer, 4 Kanadier, 2 Finnen und je ein Norweger und ein Schwede die 14 Teams. 10 unter ihnen sind jünger als 50 Jahre, 8 Trainer sind erst seit einem Jahr oder weniger im Amt und 6 wurden bereits entlassen und ersetzt. 

(Die Reihenfolge entspricht der Dienstzeit beim aktuellen Club).

Luca Cereda

HC Ambri-Piotta, geboren in Bellinzona, 41 Jahre.

Mit seinen nunmehr 6 Jahren bei Ambri ist er der aktuell dienstälteste Trainer in der Schweiz. Er startete seine Laufbahn an der Bande 2009 bei den U20 Junioren von Ambri, kam über den HC Chiasso/Biasca 2016 zu den Ticino Rockets in die damalige NLB. 

Als 18-jähriges Hockeytalent wurde er 1999 von den Toronto Maple Leafs gedraftet und spielte ab 2001 drei Jahre im Farmteam in der AHL, den St. John’s Maple Leafs. Kehrte danach aber in die Schweiz zurück zu Bern und Ambri, bevor ihn ein 2007 entdeckter Herzfehler zum Abbruch seiner Spielerkarriere zwang.

Erfolge: Ambri schaffte es letzte Saison in einer beispiellosen Aufholjagd mit 6 Siegen aus den letzten 6 Spielen den SC Bern vom letzten Pre Playoff-Platz zu vertreiben, verlor dann aber den Achtelfinal gegen Lausanne. 2018/19 erreichte mit dem  5. Rang zum letzten Mal die Playoffs, verlor dann aber ebenfalls. Im Zuschauer-Ranking liegen die Leventiner mit durchschnittlich 6442 Fans in der Gotthard-Arena an respektabler sechster Stelle und lassen Teams wie Genf, Biel und Kantonsrivale Lugano hinter sich! 

Spielsystem: Ambri’s DNA und gleichzeitig Devise sind Kampf und Leidenschaft (wobei wir nicht behaupten, dass anderen Teams diese Attribute fehlen) und besteht vor allem aus den Komponenten Verteidigung und Konter. Mit einem entschlossenen 1-on-1 Backchecking versuchen die aufgerückten Verteidiger, die Angreifer noch vor dem eigenen Drittel vom Puck zu trennen. Bei Scheibengewinn können dann auch weniger versierte Spieler mit der nordamerikanischen Spielweise „Dump 'n' Chase“ den Puck über die Abwehrspieler hinweg an die Bande spielen. In einem Laufduell versuchen die schnellen Tessiner Stürmer an den Puck zu gelangen und ihn vors Tor zu bringen. Dieses System erfordert aber enorm viel Energie und kann bei Scheibenverlust zu schnellen und gefährlichen Konter führen, bevor die Stürmer backchecken können. 

Luca Cereda an der Bande des HC Ambri-Piotta (JustPictures)

Antti Törmänen

EHC Biel-Bienne, geboren in Espoo (FIN), 52 Jahre.

Er wurde im Dezember 2017 zum Headcoach des EHC Biel ernannt, nachdem er diesen Posten drei Jahre beim finnischen Verein HIFK aus Helsinki innehatte. Seine erste Station in der Schweiz bestritt er beim SC Bern, wo er 2011 das Chefamt vom legendären Larry Huras erbte, in der Saison 2013/14 aber wieder entlassen wurde. Seine Höhepunkte als Spieler waren die Teilnahmen an den Weltmeisterschaften 1996 bis 98 und am olympischen Turnier 97/98 mit der finnischen Nationalmannschaft. 

Erfolge: Mit seinem beeindruckenden Einstieg beim SC Bern bescherte er den Bernern gleich im ersten Jahr den Vizemeistertitel 2011/12 und im Jahr darauf gar den Meistertitel. Den EHC Biel führte er in den ersten fünf Jahren immer in die Playoffs, ausser 2020/21, wo man in den Pre-Playoffs scheiterte. In den Saisons 17/18 und 18/19 gelangte man sogar bis in die Halbfinals. 

Spielsystem: Unter Antti Törmänen wurde auch in Biel ein offensives und spektakuläres Eishockey eingeführt. Dieses eindrucksvolle Lauf- und Tempo-Spiel führte den Club aktuell auf den ausgezeichneten 2. Rang mit der zweitbesten Tordifferenz der Liga. Allerdings wartet man bis jetzt immer noch auf das langersehnte Erreichen des Playoff-Finales. Damit die flinken Stürmer ausreichend Bewegungsfreiheit entfalten können, setzt Törmänen auf eine stabile Verteidigung um die drei Titanen Viktor Lööv, Robin Grossmann und Alexander Yakovenko, die hauptsächlich Tore verhindern sollen und dementsprechend bescheidene Skorerbilanzen aufweisen.

Dan Tangnes

EV Zug, geboren in Oslo, 43 Jahre.

Er ist in seinem 5. Jahr in Zug und kürzlich wurde sein Vertrag bis 2024 verlängert. In Zug setzt man ganz klar auf Konstanz, sowohl bei den Trainern als auch bei den Spielern. 

Seine letzten Stationen als Trainer waren vier Saisons bei Linköping HC (Schwedische Liga), davon drei als Headcoach. Davor war er bei Rögle in der schwedischen Eliteserie.

Erfolge: Seine bisherigen Erfolge in der Schweiz sind bekannt: Schweizer Meister 2021 und 22. In der Saison zuvor erreichte Zug den zweiten Platz in der Qualifikation (es wurden keine Playoffs gespielt), und 2019 scheiterte man erst im Finale. Ein Jahr zuvor wurde Zug Schweizer Cupsieger und 2022 wurde Dan Tangnes zum Coach of the Year gewählt.

In der laufenden Saison kämpft man gegen ein zwischenzeitliches Tief an, obwohl das Team eigentlich gut spielt. Man ist defensiv schlichtweg zu instabil und braucht offensiv zu viele Chancen für einen Torerfolg. 

Spielsystem: Der EV Zug verkörpert im Eishockey, was vor einigen Jahren der FC Barcelona auf dem Rasen perfektionierte: das Tiki-Taka-Spiel auf höchstem Niveau. Ein schnelles, kontrolliertes Kurzpass-Spiel mit hohem Puckbesitz und Spielern, die dauernd in Bewegung sind. Mit diesem System überforderte Zug in den letzten zwei Jahren viele Gegner und dominierte die Liga.

Christian Wohlwend

HC Davos, geboren in Montréal, 46 Jahre 

Gerade erst gab der HC Davos bekannt, dass der Vertrag mit Christian Wohlwend nicht verlängert wird und er ab sofort freigestellt ist. Wir belassen Wohlwend aber in unserer Analyse, da die Nachfolge bisher nur als Interim-Lösung mit den beiden Assistenten Immonen/Metropolit gelöst wurde.

Der schweizerisch-kanadische Trainer war seit April 2019 Cheftrainer in Davos und trat damit das schwere Erbe von Arno del Curto an. Zuvor verbrachte er einen Grossteil seiner Coachingtätigkeit in den verschiedenen Schweizer Nati-Teams, u.a. ab 2016 als Assistenztrainer von Patrick Fischer und zusätzlich auch als Cheftrainer der U20-Nationalmannschaft.

Erfolge: Er gehörte 2018 auch zum Staff beim sensationellen Gewinn der Silbermedaille an der WM in Dänemark. Den HCD brachte er letzte Saison in den Playoff-Halbfinal und 2020 auf den 3. Platz in der Qualifikation (es fanden keine Playoffs statt).

Spielsystem: Er bewahrte die von Arno del Curto begründete HCD-Hockeykultur, der damals als Revolutionär das intensive Forechecking in der Schweiz einführte und mit dem HC Davos jahrelang erfolgreich umsetzen konnte. Er entwickelte das physisch-dominierte Tempohockey weiter, ergänzt mit gefährlichen Breakaways seiner schnellen Stürmer nach Scheibeneroberungen in der defensiven Zone.

Christian Dubé

SC Fribourg-Gottéron, geboren in Québec, 45 Jahre.

Der Kanadier mit Schweizer Spielerlizenz verbrachte die letzten 12 Jahre bei Fribourg-Gottéron, zuerst als Sportmanager, bevor er im Oktober 2019 zusätzlich im Doppelmandat das Amt des Headcoaches übernahm.

In seiner langen Spielerkarriere stand er sogar 33 Mal im Aufgebot der New York Rangers, die ihn 1995 in der zweiten Runde gedraftet haben. Im Jahr 1999 kam er in die Schweiz zurück und begann eine beeindruckende Karriere beim HC Lugano, dem SC Bern und dem HC Fribourg-Gottéron.

Erfolge: Er führte den Club seit Übernahme des Trainers-Amtes kontinuierlich an die Spitze der NL heran. Während man 2019/20 noch auf dem siebten Rang beendete, schlossen die Freiburger die Quali 2020/21 bereits an dritter Stelle ab, schieden aber im Viertelfinal gegen den Rivalen aus Genf aus. Der vorläufige Höhepunkt war der 2. Rang in der Saison 2021/22 und das Erreichen des Halbfinales.

Spielsystem: Der erfolgreiche sportliche Aufschwung der letzten Jahre basiert grösstenteils auf der defensiven Spielart, mit der man nur wenige, kontrollierte Zonen-Eintritte zulässt. Mit zwei Verteidigern und dem Center versucht man, die Mitte der blauen Linie zu halten und den Angreifer auf die Seiten abzudrängen, wo dann die eigenen Flügel mittels Backchecking wieder eingreifen können. Daher erstaunt es nicht, dass die Saanestädter in der Qualifikation 2021/22 am wenigsten Tore in der NL zuliessen, nämlich 124 oder 2.34 pro Spiel. Aber auch die Offensive kann überzeugen. Die schnellen Special-Teams hatten im letzten Jahr eine Power-Play-Effizienz von 21,02 %, was den zweitbesten Wert nach Genf bedeutete.