Hallenstadion- und Flüeler-Abschied mit Titel?

Man kann dem ZSC vieles vorwerfen, aber mangelndes Talent oder mangelnde Fähigkeiten sind es definitiv nicht. Malgin, Weber, Andrighetto und wie sie alle heissen, die Lions haben ein Kader, von dem andere Mannschaften in dieser Liga nur träumen können. Und dennoch, irgendwas scheint bei den Zürchern nicht immer zu funktionieren, zu durchzogen sind die Leistungen. Die guten und schlechten Spiele wechseln sich ab, wie Tag und Nacht. Die Erwartungen der Fans sind hoch, an Rikard Grönborg wie auch an die oben genannten Stars. Sind sie vielleicht sogar zu hoch? Zerbrechen die Löwen am Druck?

Talent, Erfahrung und gute Goalies

Die ZSC Lions haben eine der talentiertesten Mannschaften der National League, daran besteht kein Zweifel. Und man konnte sich mit Malgin am Anfang und mit Jakub Kovar während der Saison sehr gut verstärken. Zweiterer bildet nun mit Ludovic Waeber und Lukas Flüeler ein Goalietrio mit einer starken Fangquote von 92.3 %, der Gegentorschnitt liegt bei 2.5 Gegentoren pro Spiel. Allgemein ist die Defensive der Löwen sehr solide, mit Patrick Geering hat man einen der besten Schweizer Verteidiger als Captain, Yannick Weber gilt als ebenso gut und Maxim Noreau ist einer der besten Offensivverteidiger der Liga. 

Offensiv können die Zürcher nicht klagen, man hat mehrere besonders talentierte Spieler in allen vier Reihen und vor allem in der 3. und 4. Linie auch harte “Chrampfer”, die mit Körpergrösse und Spielintelligenz auffallen. Das offensive Talent der Lions zeigt sich denn auch in den Statistiken, man hat 13 Tore mehr geschossen, als gemäss Statistiken von NL Ice Data zu erwarten gewesen wäre. Zudem ist das Powerplay statistisch eines der besten der Liga.

Konstanz und Teamgeist - Woran mangelt es?

Die Löwen sind dieses Jahr eines der besten Beispiele dafür, dass Talent alleine nicht reicht, um ein Spitzenteam zu sein. Zu oft hat man Spiele auf unnötige Art und Weise verloren, meistens war man das bessere Team, hat den Gegner minutenlang eingekesselt, aber die Tore fielen nicht. Und defensiv liess man dann zu viel zu, die Stürmer schienen manchmal nicht einmal gewillt in die Schüsse zu liegen. So konnten die Gegner immer wieder in den Slot vorstossen und aus der gefährlichen Zone frei zum Schuss kommen. Nur Bern, Ajoie und die Tigers sind hier schlechter. 

Auf der Gegenseite liegt genau dasselbe Problem, auch wenn man sehr viel schiesst (teilweise bis zu 50 Schüsse in einem Spiel), kommt man nicht in die gefährlichen Zonen im Drittel des Gegners. So schiesst man im Schnitt nur etwa 12 bis 13-mal aus dem Slot aufs Tor, was dem Liga-Durchschnitt entspricht. Und wenn man in den Slot kommt, dann mangelt es auch an Effizienz.

Neben den Schüssen ist auch das Boxplay und die vielen unnötigen Strafen ein Problem der Zürcher. Man kassiert am zweitmeisten Strafen und hat eine Penalty-Killing-Quote von knapp 81 %, für ein Team mit diesem Kaliber ist dies schlicht zu wenig. 

Der Topscorer der ZSC Lions, Denis Malgin, ist einer der Schlüsselspieler bei den Zürchern. Er lässt seine Gegner auch gerne mal ins Leere laufen, oder, wie in diesem Fall Floran Douay vom Lausanne HC, auf dem Bauch landen. (JustPictures)

Eigene Junioren und ausländische Schlüsselspieler

Denis Malgin: Das Eigengewächs wurde nach vier eher mässig erfolgreichen Jahren in Übersee und einer hervorragenden Saison bei Lausanne zurück nach Oerlikon gelotst. Er trägt zurecht den Topskorerhelm, wie auch bei den Löwen aus der Waadt weiss er mit tollen Einzelaktionen und Geniestreichen zu begeistern. Das Zürcher Offensivspiel dreht sich in den letzten Wochen vorallem um ihn, kann er diese Statistiken halten, ist Malgin der entscheidende Faktor.

Sven Andrighetto: Der 28-Jährige spielt im Vergleich mit letzter Saison nicht mehr so konstant. Er schiesst zwar immer noch fast gleich viele Tore wie er Assists macht, die Quote ist aber gesunken, von 1.06 auf 0.8 Punkte pro Spiel. Defensiv ist Andrighetto nicht sehr präsent, er blockt kaum Schüsse und wenn er auf dem Eis steht, kassieren die Zürcher 0.5 Tore mehr als zu erwarten wäre. Sollte “Ghetto” zu seiner letztjährigen Form finden, kann er im Zürcher Star-Ensemble die von ihm erwartete tragende Rolle einnehmen.

Patrick Geering: Der Nachfolger von ZSC-Legende Mathias Seger ist einer der besten Allround-Verteidiger der National League, defensiv ein unglaublich solider Wert, und seit einigen Jahren auch offensiv immer wieder erfolgreich. Der, für einen Verteidiger, “kleine” Geering (1.79 m) führt die manchmal etwas instabile und unsichere Zürcher Defensive an. Er geht mit gutem Beispiel voran und blockt am meisten Schüsse, über 100, und ist auch in der Spielauslösung ein wichtiger Faktor. Wenn Geering diese Konstanz halten kann, und vielleicht auch auf seine Mitspieler übertragen kann, dann ist die Verteidigung des ZSC ein schwer zu knackendes Schloss.

Marcus Krüger: Der stille, hart arbeitende Schwede gilt als Meistermacher, schon bei den Chicago Blackhawks wurde herausgehoben, wie wichtig Krüger für ein Team sein kann. In einem kürzlich erschienenen Artikel des Tages-Anzeigers wurde anhand von Statistiken gezeigt, dass der Center jeden Spieler um sich herum um einiges besser macht. Er ist der beste Bullyspieler der Liga, mit einer unglaublichen Erfolgsquote von 65 %. Und er ist der Stürmer des ZSC, der am meisten Schüsse blockt. Defensiv ein Spieler von unermesslichem Wert, offensiv ein Kämpfer und harter Arbeiter. Mit ihm haben die Löwen einen Zweiweg-Center, der aufopferungsvoll und vorbildlich arbeitet.

Die Goalies: Jakub Kovar, Ludovic Waeber und Lukas Flüeler. Ein Meistergoalie, ein junger Wilder und ein beinahe Unbekannter. Das Goalietrio des ZSC ist in dieser Saison eines der besten der Liga, alle drei Torhüter sind grundsolide und geben der Mannschaft die nötige Ruhe. Die grosse Überraschung ist dabei Jan Kovar’s Bruder, eigentlich als Notnagel geholt, da Flüeler sich verletzt hatte, hat sich der Tscheche die Position als Nummer 1 von Ludovic Waeber geschnappt, und scheint sie nicht hergeben zu wollen.

Der momentan verletzte Flüeler hört Ende Saison auf, er konnte im neuen Jahr noch keinen Einsatz absolvieren. Sollte er noch fit werden, hätte Rikard Grönborg die Qual der Wahl. Denn, auch wenn ihm die Spielpraxis fehlt, ist Flüeler ein sehr guter Playoffgoalie, man erinnere sich an die Saison 2018, als er die Löwen mit mehreren Big Saves zum Titel führte. Und mit Waeber und Kovar hat man zwei Torhüter, die im Moment definitiv in Topform sind.

Egal wer also spielt, der ZSC ist im Tor mehr als gut abgesichert. Und man würde es Flüeler gönnen, wenn er wie Seger mit einem Titel abtreten könnte.

Redaktionstipp

Nominell haben die Zürcher das beste Kader der Liga, zum Unmut vieler Fans bringen sie das ganze vorhandene Talent aber nicht konstant aufs Eis. Sollte es ihnen gelingen, in den Playoffs den Schalter umzulegen, gehören sie mit Zug und Fribourg zu den Topfavoriten auf die Blumenvase. Wir prophezeien kein Märchenende für Flüeler und das Hallenstadion und tippen auf ein Aus im Halbfinal oder eine Finalniederlage.