Weshalb ein Ausschluss der Ticino Rockets aus der Swiss League nicht gerechtfertigt wäre

Die Ticino Rockets haben zum ersten Mal seit drei Spielzeiten die Regular Season nicht als Schlusslicht beendet und werden heute gar die Pre-Playoffs gegen den EHC Visp bestreiten. Trotzdem ist die Zukunft der Rockets in der Swiss League nicht gesichert.

Es sind aktuell stürmische Zeiten. Seit der Trennung zwischen National League, Swiss League und Verband geht es zu und her. Überall werden Reformen angestrebt und es wird versucht, das eigene Produkt besser zu machen. Ein geniales Produkt noch einmal verbessern? Das klingt doch ausgezeichnet. Die Begeisterung, mit der die Reformpakete beworben werden, ist allerdings vielerorts nicht spürbar. 

Zwei Vereine müssen sich aufgrund diesen Reformen sogar grundlegende Sorgen um ihre Existenz machen: die EVZ Academy und der HC Biasca Ticino Rockets. Sie gelten als Farmteams der National League. Ersterer gehört dem EV Zug, zweiterer liegt mehrheitlich in den Händen vom HC Ambri-Piotta. Aber auch der HC Davos, der HC Lugano, der Lausanne HC und zuletzt auch der EHC Biel und der HC Genf-Servette liehen ihre Rohdiamanten an die Tessiner aus. 

Haben Farmteams noch eine Zukunft in der Swiss League?

Die Swiss League will sich neu aufstellen. Sie möchte für die Fans noch attraktiver werden und als eigenständige Liga etablieren. Da sind weder die Academy noch die Rockets attraktiv. Vor allem nicht für die Zuschauerzahlen. Diese lagen in der Saison 2019/20 im Schnitt bei 220 (Academy) bzw. 180 (Rockets) Zuschauern pro Spiel. Wahrlich wurden von den Farmteams keine Massen angezogen. 

In dieser Saison spielte dies weniger eine Rolle. Konnten sich die beiden Klubs deshalb so gut verkaufen? Fehlten ihnen die Fans gar nicht, weil sie auch sonst kaum welche hatten? Dies wäre vermutlich etwas harsch ausgedrückt. Fakt ist: Beide Teams haben relativ deutlich den EHC Winterthur abgehängt und den Zürchern die rote Laterne überlassen. Bis zur zweitletzten Runde war nicht klar, welches der beiden Farmteams sich den Platz in den Pre-Playoffs erkämpfen würde. 

Schliesslich ging der letzte Pre-Playoff-Platz an die Ticino Rockets. Mit drei Siegen zum Ende der Regular Season haben sie gar nur noch fünf Punkte weniger auf dem Konto als die GCK Lions, dessen Zukunft in der Swiss League nicht in Gefahr sein soll, obwohl sie im Grunde ebenfalls ein Farmteam sind. Nämlich dasjenige der ZSC Lions, welche die grösste Nachwuchsorganisation der Schweiz haben. GC/SCK -  ein Zusammenschluss von den Grasshoppers und Küsnacht - waren nämlich schon vor der Fusion mit den ZSC Lions in der Swiss League tätig. Natürlich ist dies ein schlagkräftiges Argument.

Aber halt: Blicken wir auf den Frühling 2016 zurück. Der HC Chiasso/Biasca besiegte im regionalen Playoff-Final Ost der 1. Liga den EHC Dübendorf und schlägt später in der Championship Round den EHC Thun (Sieger Zentral) und den HC Düdingen Bulls (Sieger West). Damit haben sich die Tessiner den Aufstieg in die Swiss League sportlich erkämpft. An der Bande stand damals ein gewisser Luca Cereda. Auf dem Feld kämpften Patrick Incir, Noele Trisconi, Isacco und Zaccheo Dotti, Tommaso Goi, Elia Mazzolini und Elia Riva um den Aufstieg. Sie alle sind mittlerweile mehr oder weniger Stammspieler in der National League.

Dass Chiasso/Biasca als Farmteam mit dem neuen Namen Ticino Rockets in die Swiss League eingestiegen war, machte vermutlich durchaus Sinn. Ansonsten wäre der Aufstieg finanziell wohl kaum möglich gewesen. 

Kein Punktelieferant

In der fünften Saison stehen die Rockets zum ersten Mal vor dem Playoff-Einzug. Natürlich ermöglicht das System mit den Pre-Playoffs diese Chance. Trotzdem muss diese Leistung anerkennt werden. Die Rockets sind das einzige Team, dass während der ganzen Saison keinen einzigen Ausländer eingesetzt hat. In der letzten Saison, als sie nicht allzu viele Punkte auf den zweitletzten Winterthur verloren hatten, waren sie oftmals von Max Gerlach abhängig. Dieser macht mittlerweile die österreichische Liga unsicher und skort dort regelmässig.

Nun waren sie also grösstenteils auf sich alleine gestellt. Insgesamt 44 verschiedene Feldspieler wurden während der Regular Season eingesetzt. Darunter sieben, die noch U20-berechtigt wären. Aber es wurden auch Spielern aus der MySports League die Chance gegeben, sich in der zweithöchsten Schweizer Liga zu beweisen. Auf der anderen Seite muss man auch die namhafte Verstärkung von gestandenen National League-Spielern wie Matteo Romanenghi oder Sandro Zangger betonen. Zusätzlich zu den etlichen Feldspielern standen auch acht verschiedene Torhüter im Kasten. 

Es ist also bemerkenswert, wie der Trainerstaff mit einem so grossen und stets wechselnden Kader umgegangen ist und ihn zum Erfolg geführt hat. Beeindruckend ist auch, dass nur 15 von möglichen 42 Punkten gegen die EVZ Academy, die GCK Lions und Winterthur geholt worden sind. Gegen die direkte Konkurrenz taten sich die Rockets meist schwer. Gegen die auf dem Papier deutlich besseren Gegner waren sie jedoch immer wieder für eine Überraschung gut. Qualifikationssieger Kloten konnte zum Beispiel nur eine Partie gegen Biasca für sich gewinnen und ging zweimal ohne Punkte aus.

Überhaupt nicht chancenlos in den Pre-Playoffs

In den Pre-Playoffs wartet nun der EHC Visp auf die Tessiner. Wer denkt, dass dies eine klare Angelegenheit wird, der wird womöglich überrascht werden. Denn Visp gewann nur fünf von zwölf möglichen Punkten gegen Biasca. So wird es hoffentlich - wie beim anderen Duell zwischen den GCK Lions und La Chaux-de-Fonds - ein ausgeglichene Playoff-Einstimmung. Und wenn es die Tessiner schaffen sollten, den EHC Visp aus dem Aufstiegsrennen zu schiessen, dann stellt sich die Frage, weshalb genau sollen die Rockets zukünftig nicht mehr in die Swiss League gehören?