Braucht das Schweizer Eishockey ein Transferfenster?

Der Start in die neue National League-Saison ist nicht einmal zwei Wochen her, die Tabelle hat noch kaum Form angenommen und doch gibt es schon den ersten namhaften Transfer für die Saison 2020/21 zu vermelden. Fabio Hofer, einer der Schlüsselspieler bei Ambris ausgezeichneter letzter Saison, unterschreibt für zwei Jahre beim EHC Biel.

Es ist eine Tendenz, die man als Fan, als Spieler und auch als Sportchef kaum gutheissen kann: Es werden immer früher Verträge bei anderen Mannschaften unterschrieben. Bereits die Bekanntgabe des Genoni-Wechsels im letzten August (!), neun Monate vor dem Saisonende, übertraf jeglichen gesunden Menschenverstand und stellte etablierte Grundsätze in Frage.. 

Dass Fabio Hofer nach seiner hervorragenden letzten Saison mit 31 Punkten aus 54 Spielen ein gefragter Mann ist, ist absolut verständlich. Und dass der Österreicher nach vier sehr erfolgreichen Spielzeiten in der EBEL und zwei in Ambri mit 27 Jahren auch etwas in die eigenen Tasche schaut, ebenso. Und doch hat der Transfer einen unschönen Nebengeschmack. 

Die Saison 2019/20 hat vor nicht einmal zwei Wochen begonnen. Und doch sitzt die Planung für die nächste Saison bei vielen Sportchefs mehr im Kopf als die Konzentration auf die soeben begonnene Spielzeit. Wer jetzt nicht auf dem Transfermarkt handelt, der hat verloren und wird nach der Jahreswende keine Verstärkungen auf dem Markt finden. Die Anzahl an guten Schweizer Spielern ist begrenzt und die anderen Teams schlafen auch nicht.  

Ein «Verhandlungsfenster» einführen

Als Eishockeyfan hat man für Fussball meist nur ein müdes Lächeln übrig. Doch in diesem Fall sind uns die Sportkollegen voraus. Es gibt in Europa jeweils zwei Transferfenster, eines im Sommer und eines im Winter. Da im Eishockey keine Transfersummen bezahlt (zumindest in den meisten Fällen nicht) und die Verträge meist bis zum Ablauf eingehalten werden, sind diese gar nicht so von Bedeutung. Doch es gibt einen zentralen Punkt: Spieler, die Ende Saison einen auslaufenden Vertrag haben, dürfen frühestens im Wintertransferfenster von anderen Klubs kontaktiert werden. In vielen Ligen ist dieses ab dem 1. Januar geöffnet und widerspiegelt die Mitte der Saison.

Im Fall von Fabio Hofer würde dies bedeuten, dass er erst nach etwa 25 Spielen von den interessierten Klubs hätte kontaktiert werden dürfen. Da es im Eishockey jedoch keine sichtliche Hin- und Rückrunde gibt, würde natürlich ein Datum mehr Sinn machen. Wie auch im Fussball würde sich der 1. Januar sicherlich dafür eignen. In dieser Spielzeit sind bis dahin 183 von 300 Spielen ausgetragen, die Hälfte der Regular Season wäre zumindest absolviert. Ab dann wären Spieler, deren Verträge auslaufen, frei, um mit anderen Klubs zu verhandeln. Da es sich noch nicht um einen Transfer handelt, würde «Verhandlungszeitraum» oder «Verhandlungsfenster» als Name vermutlich besser eignen.

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Allerdings ist die Umsetzung eines solchen Verhandlungsfensters kaum realistisch. Denn von einer solchen Regel würden eher die finanzschwächeren Teams profitieren. Zu diesen zählt sicherlich auch Ambri-Piotta. Gäbe es ein Transferfenster, hätte Hofer bis zum 1. Januar nur die Möglichkeit gehabt mit seinem momentanen Arbeitgeber zu verhandeln. Wie Ambris Sportchef Paolo Duca unter anderem gegenüber RSI berichtete, war logischerweise auch Ambri an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Doch das finanzielle Angebot der Bieler war «ausserhalb unserer Realität», meinte Duca. 

Das zusehends finanzkräftigere Biel hatte Duca mit dem lukrativen Angebot also einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und Hofers Entscheidung für die Zukunft sicherlich etwas vorangetrieben. Würde ihm bis zur Jahreswende allerdings nur das Angebot Ambris und keine anderen vorliegen, dann hätte die Situation möglicherweise anders ausgesehen. Zwei Möglichkeiten gäbe es jeweils: Entweder der Spieler wartet ab, hofft damit auf ein besseres Angebot eines anderen Klubs nach der Jahreswende, nimmt damit aber auch das Risiko einer Verletzung auf sich oder er verhandelt ohne Druck und äussere Einflüsse mit seinem jetzigen Klub. Folglich würde die Identifikation zu einem Klub wieder etwas in den Vordergrund rücken, was nicht nur den Spielern, sondern auch den Klubs zugute kommen würde. 

Aus der Fanperspektive kann man sich fragen: Warum soll ich während weiteren 45 Spielen einem Spieler zujubeln, der sich nicht zu den Klubfarben bekennt und nach der Saison einen anderen Weg nimmt? Auch die Fans, die Grundlage und das Herzstück des Sports, haben es verdient, «fair» behandelt zu werden, um sich wieder mehr mit dem Lieblingsverein identifiziert zu fühlen. Es täte allen gut, ein Transferfenster einzurichten.