Das Beispiel Marco Maurer zeigt, was im Schweizer Eishockey falsch läuft

Nach dem Ausscheiden des EHC Biel kam das Gerücht auf, Marco Maurer wolle bei seinem alten Arbeitgeber bleiben und nicht zu Genf wechseln, wo er im Januar einen Vertrag unterschrieben hat. Es zeigt eine unvorteilhafte Entwicklung im Schweizer Eishockey.

Vor circa drei Monaten unterschrieb Marco Maurer einen Vertrag über zwei Jahre bei Genf-Servette. In der Medienmitteilung der Genfer stand wohl das gewohnte «Ich bin sehr glücklich über den Wechsel zu Genf.» Nun scheint Maurer doch nicht mehr so glücklich über den Wechsel zu sein, denn dieser scheint plötzlich auf der Kippe zu stehen. Nach dem verlorenen siebten Halbfinal-Spiel hat Maurer nämlich offen bestätigt, dass er in Biel bleiben möchte, falls Chris McSorley nicht mehr an der Bande der Genfer stehen wird. McSorleys Absetzung ist zwar noch nicht in Stein gemeisselt. Die Aussagen von Maurer zeichnen aber ein allgemeines Problem des Schweizer Eishockeys auf.

Transfers im Frühling - gar nicht mehr möglich

Die Saison 2018/19 ist noch in vollem Gange. Bern und Zug bestreiten morgen erst das dritte Finalspiel. Und trotzdem läuft im Hintergrund bereits seit Monaten die Saison 2019/20, vor allem für die Sportchefs. Denn diese haben schon etliche neue Verträge für die kommende Spielzeit verteilt, Spieler verpflichtet und Nachwuchsspieler in die erste Mannschaft aufgenommen.

Die richtigen Planungen für die kommende Saison sollten eigentlich erst jetzt, nach dem Saisonende geschehen. Doch welche Spieler kann man nun, im April, noch verpflichten? Ein Blick auf die Free Agent List der National League von Elite Prospect zeigt klar und deutlich, dass gar niemand mehr auf dem Markt vorhanden ist, abgesehen von Altstars wie Julien Vauclair, Goran Bezina und Michael Ngoy und einigen Nachwuchsspieler, die zwischen Swiss und National League stehen, für den Nachwuchs aber bereits zu alt sind.

Die Sportchefs sind praktisch gezwungen, das Kader fast ein Jahr vorauszuplanen, um den einen oder anderen Transfer tätigen zu können. Je früher ein hohes Angebot unterbreitet und mit Geld gelockt wird, desto schneller wird der Vertrag unterschrieben. Hintergedanken der Spieler gibt es dabei kaum, Trainerwechsel oder andere grosse Transfers von Konkurrenten, die einem dann wieder den Platz wegnehmen könnten, werden nicht mehr berücksichtigt.

Dies führt natürlich dazu, dass die wichtigste Zeit eines Spielers nicht mehr im Frühling und zu Zeiten der Playoffs ist, sondern im Herbst. Dann werden nämlich die ersten, grossen Verträge abgeschlossen und die Zukunft gesichert. Mit ein paar starken Spielen zum Saisonauftakt, ein besseres Beispiel als Jérôme Bachofner findet sich wohl kaum, kann man die Klubs schon locken, das Portemonnai aufzumachen.

Jérôme Bachofner startete stark in die Saison und war zwischenzeitlich Topskorer, in der zweiten Saisonhälfte skorte er aber praktisch gar nicht mehr. (bild: evz.ch)

Maurer und Herzog - beide haben sich verpokert

Natürlich ist es ein angenehmes Gefühl, wenn man eine Jobsicherheit hat. So geht es vermutlich jedem Arbeitnehmer auch. Maurer ist schon 31-jährig, ihm stehen nicht mehr allzu viele gute Jahre bevor. Einerseits hat es also Sinn gemacht, frühzeitig die Zukunft zu regeln. Andererseits ist Maurer schon genug lange im Geschäft, um zu wissen, dass man sich den Trainer nicht aussuchen kann.

Ähnliches gilt für Fabrice Herzog. Er unterschrieb bereits im vergangenen November einen Vertrag beim HC Davos, um bei Arno Del Curto ab dem Sommer endlich sein volles Talent auszuschöpfen. Nun ist Del Curto nicht mehr Trainer der Bündner. Herzog hat trotzdem einen Vertrag mit Davos.

Wir wollen Herzog natürlich nicht unterstellen, dass er dem grossen Geld nachgerannt ist. Seine Absichten, unter Del Curto zu spielen, sind durchaus verständlich gewesen. Trotzdem bringt ein solch früher Wechsel seine Nebenwirkungen mit sich: Durch seine Unterschrift war ein weiterer Spieler früh vom Markt. Dadurch wurden die Sportchefs nervöser und fanden sich notgezwungen, möglichst bald auf dem Transfermarkt zuzuschlagen. Das ganze Karussell beginnt sich sofort zu drehen.

Vertragsverhandlungen mit anderen Vereinen verbieten?

Die Tendenzen, dass die Verträge immer früher gemacht werden, sind kaum zu bremsen. Das Angebot an sehr guten Schweizer Spielern ist einfach zu klein. Kein Wunder werden Ausnahmekönner wie Leonardo Genoni oder Gregory Hofmann bereits ein Jahr vor Vertragsablauf mit grossen Verträgen gelockt. Sobald die Spitzenspieler vom Markt sind, beginnt das ganze mit den Durchschnittsspielern und schliesslich mit den Mitläufern. Dies ist wohl kaum zu verhindern.

Die Transfers bzw. die Gespräche erst nach Saisonende oder zumindest nach dem Jahreswechsel zu erlauben, würde wohl nur das Verhandeln hinter dem Rücken des eigenen Klubs stärken. Wie soll man kontrollieren, ob ein Verein einen Spieler erst nach Saisonende kontaktiert? Mit etwas Schweigegeld würde der Spieler schon ruhig gestellt werden.

Trotzdem gäbe es vor allem für die kleineren Klubs einen Vorteil, wenn man ein Transferfenster bzw. einen Handelszeitraum einfügen würde. Spieler von Langnau oder Ambri könnten nicht bereits nach zwei, drei guten Saisonspielen mit grossen Gehaltschecks gelockt werden, sondern müssten dafür - beispielsweise bis zur Jahreswende - warten. Zuvor haben die eigenen Sportchefs die Möglichkeit, ohne Konkurrenz mit den eigenen Spielern zu verhandeln. Dabei würde die Wertschätzung in der eigenen Mannschaft wieder steigen. Der Klub könnte den Spielern zuerst die eigene Strategie und die eigenen Interessen nahelegen. Die Spieler, die nur auf das grosse Geld hinaus sind, müssen dann natürlich etwas pokern. Nehmen sie die Verlängerung an, verzichten sie womöglich auf etwas Geld. Wenn sie länger abwarten, um von einem anderen Klub kontaktiert zu werden und ein Riesenangebot zu bekommen, gehen sie das Risiko einer Formschwäche oder einer Verletzung ein, womit das Angebot wieder sinken würde.

Ambris Dominic Zwerger hat seinen Vertrag vorzeitig verlängert. Ansonsten wären nun schon bald die ersten Angebote eingetrudelt.

Die Entwicklung - so wie sie jetzt der Fall ist - kann sicherlich nicht als positiv gewertet werden. Trotzdem wird sie sich in Zukunft eher verstärken, als dass dagegen etwas unternommen werden kann. Denn schliesslich profitieren meist die Spieler davon.

Vertrag ist aber Vertrag und dieser soll erfüllt und zuvor bedacht werden. Sonst wird sich bald einmal einer zu einem Wechsel streiken, wie Ousmane Dembélé 2016 zum FC Barcelona. Dann wären wir mit all den konvertierten Neymars definitiv im Fussball angekommen. Und das will doch keiner!