Die perfekte Ausgeglichenheit von Zug und Dan Tangnes und die Frage, wer den Verstand im Final zuerst verliert?

Der EV Zug hat in den diesjährigen Playoffs erst eine Niederlage einstecken müssen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Einer sticht im Vergleich zum Halbfinal-Gegner Lausanne besonders heraus.

In den Playoffs 2019 befindet sich der EV Zug in einer bestechenden Form. Sechs der sieben Spiele entschieden sie zu ihren Gunsten und schickten dabei den HC Lugano im Viertelfinal gleich mit 4:0 in der Serie in die Ferien. Im Playoff-Halbfinal gegen den Lausanne HC führen die Zuger momentan mit 2:1 in der Serie.

Heute Abend bestreiten die Halbfinalisten das vierte Spiel. Es ist das vierte Spiel innerhalb einer Woche. Langsam müssen immer mehr die Kraftreserven angezapft werden. Zug hat den Vorteil, dass sie im Viertelfinal nur vier Spiele absolviert haben, während Lausanne gegen Langnau in die Belle hat gehen müssen. Die Lausanner haben also knapp 150 Minuten Spielzeit mehr in den Beinen und zwischen Viertel- und Halbfinal die deutlich kürzere Erholungszeit gehabt.

Zug spielt konstant über vier Linien

Aber nicht nur die Anzahl Playoff-Spiele und die Erholungszeit geben den Zugern den entscheidenden Vorteil, wenn die Serie über sieben Spiele entschieden werden würde. Dan Tangnes setzt in seinem Spiel auf vier ziemlich ausgeglichene Linien. Mindestens drei der vier Sturmreihen können in jedem Spiel Tore erzielen und sechs von sieben Verteidigern in jeder Spielsituation eingesetzt werden.

Beim EV Zug kann praktisch jeder Spieler Tore schiessen. (TOPpictures/Michael Walch)

Dan Tangnes verteilt die Eiszeit zwischen den einzelnen Linien ausgezeichnet. Bei Gleichbestand auf dem Eis beträgt der Unterschied zwischen den ersten 18 Spielern nur 6 Minuten. Santeri Alatalo und Dominik Schlumpf stehen etwas mehr als 16 Minuten bei 5 gegen 5 auf dem Feld, Sven Leuenberger kommt als 18. noch auf 10:45 Minuten.

Nur der siebte Verteidiger Livio Stadler und die um den Platz als 12. Stürmer kämpfenden Fabian Schnyder und Yannick Zehnder schaffen es nicht auf zehn Minuten, wobei Schnyder aber zusätzlich noch im Boxplay eingesetzt wird.

In Lausanne sieht das etwas anders aus. Nur 15 Spieler erhalten bei 5 gegen 5 mehr als zehn Minuten das Vertrauen. Auch inklusive Special Teams erreichen die fünf «Bänkliwärmer» die zehn Minuten nicht. Lausanne spielt dementsprechend über 50 Minuten lang nur mit drei Linien.

Dabei fehlt Lausanne der ansonsten am meisten eingesetzte Stürmer Dustin Jeffrey verletzt. Er wird durch Mika Partanen ersetzt, der aber in keinster Weise so einen grossen Einfluss hat wie Jeffrey und dementsprechend weniger forciert wird. Wenn Jeffrey wieder zurückkehrt, dann wird sich die Verteilung der Eiszeiten vermutlich kaum positiv entwickeln. Vielleicht war der Ausfall von Jeffrey sogar ein Glücksfall, denn er führte doch etwas zu ausgeglichenen Einsätzen.

Die Unterschiede sind hauptsächlich in der Tiefe sichtbar. Denn mit Santeri Alatalo besitzt überraschenderweise Zug den meisteingesetzten Spieler der Playoff-Halbfinals in ihren Reihen. Er steht knapp 24 Minuten pro Spiel auf dem Eis, fast fünf Minuten davon aber in Überzahl. Mit sechs zu drei über 20 Minuten pro Spiel eingesetzte Spieler liegt Lausanne aber erneut deutlich vor den Zugern und forciert die besten Kräfte eindeutig mehr. Dass Lino Martschini mit bereits 10 Skorerpunkten in den Playoffs durchschnittlich nur 16:13 Minuten auf dem Eis steht, untermauert die Breite der Zuger.

Regular Season-Topskorer Lino Martschini steht nur etwas mehr als ein Viertel der Partie auf dem Eis. (TOPpictures/Andy Buettiker)

Tangnes versteht es folglich besser, die Kräfte seiner Spieler aufzuteilen. Während der Spiele muss ihn zwar ausgerechnet Josh Holden teilweise wieder etwas beruhigen, doch beim Norweger kommt es nie zu unüberlegten Aktionen. Er wäre sich nicht zu schade, seine Topspieler in die hinteren Reihen zu setzen, wenn diese nicht abliefern würden und deshalb einen jungen Spieler spielen zu lassen.

Bereits jetzt strahlt Tangnes mit seinen 40 Jahren das Selbstvertrauen eines grossen Trainers aus. Liegt es daran, dass er in dieser Saison noch nichts zu verlieren hat und erst in der kommenden mit den Zuzügen von Gregory Hofmann und Leonardo Genoni abliefern “muss”? Die Bestätigung, dass Tangnes ein grosses Trainer ist, kann erst in der nächsten Saison geliefert werden. Er ist aber auf gutem Weg dazu.

Tangnes oder Törmänen - Wer verliert zuerst den Verstand?

Geht alles mit rechten Dingen zu, dann wird sich der EV Zug am Donnerstag für den Final qualifizieren. Denn die Lausanner haben bereits am Samstag bei der 5:0 Niederlage angedeutet, dass eine gewisse mentale Müdigkeit in ihnen steckt. Die Eiszeitverteilung ist bei den Waadtländern nicht erst seit den Playoffs so unausgeglichen.

Im zweiten Halbfinal bahnt sich eine ähnliche Geschichte an. Während Bern seine besten Kräfte forciert und sie von Kari Jalonen fast zu Tode geschlaucht werden, verteilt Antti Törmänen die Eiszeit mindestens so ausgeglichen wie sein möglicher Finalgegner Dan Tangnes. Nur zwei Spieler erhalten bei Biel über 20 Minuten Eiszeit pro Spiel.

Deshalb ist es gut möglich, dass im Playoff-Final die zwei ausgeglichensten Mannschaften dieser Saison aufeinander treffen werden. Dann werden die Energiereserven ähnlich gefüllt sein und es beginnt alles bei null. Eigentlich gibt es keinen Grund, auch im Playoff-Final an dem Gameplan festzuhalten und die Eiszeiten so ausgeglichen zu verteilen.

Aber… Nach dem letzten Finalspiel ist die Saison beendet. Die letzten Kräfte dürfen jetzt endlich aus den Spielern gepresst werden. Zudem bringt die Ausgeglichenheit der Linien auch keinen grossen Vorteil mehr, wenn der Gegner dasselbe macht. Kann es also dazu kommen, dass einer der beiden skandinavischen Trainer plötzlich den Verstand verliert und seine besten Kräfte forciert?

Es wäre eine interessante Frage, die allerdings nur mit einem Finaleinzug von Biel und Zug beantwortet werden kann. Ob es Tendenzen dazu gibt? Nein, bisher nicht. Doch der Halbfinal ist noch nicht der Final. Genauso wie eine Verlobung noch keine Heirat ist. Die ersten Schritte können aber bereits heute Abend gelegt werden.