Halbfinal-Prognose 2019 - Bern wird am übermächtig gewordenen «kleinen» Bruder scheitern

Die vier besten Teams der Qualifikation haben sich in den Playoff-Viertelfinals durchgesetzt und treffen heute Abend im Halbfinal aufeinander. HockeyInfo setzt sich mit dem Berner Derby auseinander.

Wenn der grosse Bruder plötzlich Angst haben muss

Vor einigen Jahren war das Verhältnis zwischen dem SC Bern und dem EHC Biel noch eindeutig: Bern war der grosse Bruder, der um einiges stärker gewesen ist und deutlich mehr Sackgeld von den Eltern bekommen hat. In den letzten Jahren hat der «kleine» Bruder Biel aber einen unglaublichen Wachstumsschub hingelegt und ist durch lukrative Nebenjobs dem faulen Bruder in allen Bereichen näher gekommen.

Bern als faul zu bezeichnen ist in dem Sinne gerechtfertigt, dass sich das Kader abgesehen von den Ausländern kaum gross verändert oder gar verstärkt hat. Es standen eher die Abgänge von jungen Talenten im Vordergrund, die nun in Biel (Samuel Kreis), in Ambri (Marco Müller) oder in Davos (Luca Hischier und Dario Meyer) ihre persönlich besten Spielzeiten ihrer Karriere hingelegt haben, oder Rücktritte, wie diejenigen von Martin Plüss, Marc Reichert, David Jobin oder Gian-Andrea Randegger. Der letzte grosse Zuzug war Gaëtan Haas, der nun ausgerechnet im Playoff-Halbfinal gegen seinen Jugendverein antreten muss.

Gaëtan Haas muss gegen seinen Jugendverein antreten, bei dem er bis zu seinem 25. Lebensjahr gespielt hat. (TOPpictures/Alexander Raemy)

Hätte Haas seinen Vertrag vor zwei Jahren verlängert, sähe das Kader von Biel nun noch bedrohlicher aus. Die Bieler haben sich in den letzten Jahren durch die Zuzüge der arrivierten Beat Forster, Jonas Hiller und Damien Brunner auf dem Papier sofortig verstärkt und mit den jungen, voller Talent steckenden Samuel Kreis, Dominik Diem, Jason Fuchs, Michael Hügli, Damien Riat usw. ein gutes Händchen bewiesen und eine hoffnungsvolle Basis erbaut. Biel hat sich seit dem Einzug ins neue Stadion in allen Bereichen verbessert und muss im Halbfinal überhaupt keine Angst vor dem grossen Bären haben.

Daniele Grassi vs. Jason Fuchs - Wo sind die Leistungsträger?

Erstaunlicherweise waren es in diesen Playoffs bei beiden Teams nicht die üblichen Leistungsträger, die den Unterschied ausgemacht haben. Mit vier Punkten (drei Toren) ist Daniele Grassi einer der drei SCB-Topskorer. Damit hat er seine Punkteausbeute von der Qualifikation (drei Punkte) nach sechs Spielen schon übertroffen. Grassi ist kaum mehr wieder zu erkennen und spielt voller Selbstvertrauen. Zuletzt durfte er in der zweiten Linie stürmen und erhielt viel Eiszeit.

Auf der anderen Seite ist es Jason Fuchs, der Ambri praktisch im Alleingang abgeschossen und in jedem Spiel bei mindestens einem Tor seinen Stock im Spiel gehabt hat. Gemeinsam mit Robbie Earl und Damien Brunner bildete er die stärkste Linie der sehr ausgeglichenen Seeländer.

Flink, schnell und raffiniert: Jason Fuchs spielt momentan tolles Eishockey. (TOPpictures/Andy Buettiker)

In den Playoffs wird es vor allem darauf ankommen, ob die sonstigen Leistungsträger ihre Playoff-Form finden. In Biel muss Toni Rajala endlich sein letztjähriges Vertrauen finden, als er in 12 Spielen 14 Punkte gesammelt hat. In diesen Playoffs hat er erst zwei Punkte gesammelt. Die ansonsten ebenfalls sehr zuverlässigen Punktejäger Samuel Kreis und Marco Pedretti waren noch gar nicht auf dem Skorerblatt zu finden.

Bei Bern sind so einige Spieler noch nicht zu Hochtouren aufgelaufen: Andrew Ebbett, Eric Blum und eben dieser Haas stehen erst bei einem Assist. Calle Andersson, der punktbeste Verteidiger der Qualifikation, hat keine Punkte auf seinem Konto.

Wird die Regentschaft der «Big Four» gebrochen?

Neben den Feldspieler stehen natürlich zwei Männer im Vordergrund: Leonardo Genoni und Jonas Hiller. Beide Torhüter hatten im Viertelfinal eine unglaubliche Fangquote von 94.5 %. Hiller zeigte allerdings deutlich mehr Big Saves und war im Viertelfinal in der Form seines Lebens, während die Hälfte der Schüsse auf Genoni von der Mittellinie abgefeuert worden waren.

Jonas Hiller befindet sich momentan in Topform und spielt voller Selbstvertrauen. (TOPpictures/Andy Buettiker)

Wenn Hiller seine Form auch in den Halbfinal mitnehmen kann, dann wird Bern grandios am kleinen Bruder scheitern. Kari Jalonen schien bereits gegen Genf teilweise ratlos und an seine Grenzen gekommen zu sein. Nur wenn er tatsächlich ein grosser Trainer ist, hat er gegen dieses komplette und von seinem Landsmann Antti Törmänen ausgezeichnet eingestellte Biel eine Chance. Aber auch Törmänen ist ein grosser Trainer und vor allem ein Taktikfuchs. Er hat Ambris Toplinie bei 5 gegen 5 so gut aus dem Spiel nehmen können wie kein anderer Trainer. Dasselbe kann ihm auch bei Berns Toplinie um Mark Arcobello gelingen. Wenn dann Berns vierte Linie plötzlich aufhört zu skoren, werden die Berner verzweifeln. Mit dem Bieler Final-Einzug wird es erstmals seit über 20 Jahren einen neuen Meister geben.

Halbfinal-Prognose in der Serie: Bern - Biel 2:4