Saisonvorschau 2022/23: HC Genf-Servette - Der grosse Überraschungskandidat

In etwas mehr als 24 Stunden wird der erste Puck der National League-Saison 2022/23 eingeworfen. HockeyInfo wirft einen Blick auf die 14 Teams der National League. Heute im Fokus: HC Genf-Servette.

Der HC Genf-Servette hat die Ära Chris McSorley endgültig hinter sich gelassen und die Fragezeichen hinter dem neuen Sportchef Marc Gautschi haben sich mit den getätigten Transfers in Luft aufgelöst. Nach dem Finaleinzug 2021 konnte die Saison zwar nicht bestätigt werden. Und trotzdem steht die Mannschaft auf dem Papier besser da denn je. 

Eine Fantasy-Aufstellung des HC Genf-Servette aufgrund der vergangenen Saison, Testspielen der Saison 2022/23 und Spekulation.

Die ältesten Ausländer - und trotzdem macht sich keiner Sorgen

Normalerweise sind es keine allzu guten Anzeichen, wenn ein Spieler über 35 Jahre alt ist. Denn spätestens dann folgen langsam kleine Leistungseinbussen. Genf-Servette hätte demnach allen Grund zur Sorge: Valtteri Filppula ist 38, Daniel Winnik 37 und Linus Omark 35 Jahre alt. Und trotzdem sorgt sich niemand. Denn bei allen dreien sah man in der letzten Saison überhaupt keine Anzeichen von nachlassenden Leistungen. Nach einer langen NHL-Karriere mit über 1200 Auftritten zeigte Filppula überhaupt keine Anpassungsprobleme auf dem grösseren Spielfeld, sammelte praktisch einen Punkt pro Spiel und gewann mit Finnland die Goldmedaille an der Olympiade und an der Weltmeisterschaft. Der Kanadier Winnik erreichte in seiner vierten Spielzeit in der Schweiz mit 54 Punkten eine neue persönliche Bestmarke und war drittbester Skorer der Liga.

Trotz laufendem Vertrag verbrachte Omark aufgrund persönlicher Gründe ein Jahr zurück in seiner Heimat in Schweden. Dort war der brillante Spielmacher massgeblich am Finaleinzug von Lulea beteiligt. Nun kehrt er zurück und trifft in Genf sogar auf einen alten Bekannten: Teemu Hartikainen sorgte fünf Jahre lang gemeinsam mit Omark in der KHL für Torgefahr. Der kräftige Finne bringt über 100 kg auf die Waage und kompensiert so das eher weniger körperbetonte Spiel seines schwedischen Kollegen. Dass die beiden Skandinavier auch in der National League funktionieren, scheint fast schon klar zu sein.

Er ist wieder zurück: Linus Omark war in der Saison 2020/21 mit 61 Skorerpunkten der zweitbeste Spieler der Liga. (JustPictures)

Schweizer Power

Aber nicht nur die Ausländer können vorne für Torgefahr sorgen. Die Neuzugänge Vincent Praplan und Alessio Bertaggia wissen, wo das Tor steht, und sind mit 28 bzw. 29 Jahren im besten Hockeyalter. Beide haben die letzten drei Spielzeiten immer mindestens 20 Skorerpunkte gesammelt. Dazu sind Tanner Richard und Noah Rod zwei Kandidaten, die im Normalfall ohne Verletzungssorgen die 25-Punkte-Marke brechen. 

Die Schweizer Lizenz haben zudem Josh Jooris und Marc-Antoine Pouliot. Auch wenn der 37-jährige Pouliot nicht mehr ganz so produktiv war wie vor ein paar Jahren, sammelte er doch 20 Punkte in 27 Partien. Und auch Jooris beteiligte sich in der letzten Saison an 25 Toren.

Zwei Leistungsträger in der Defensive

Qualitativ nicht ganz so breit aufgestellt sind die Genfer in der Defensive. Dort befinden sich mit Roger Karrer und Simon Le Coultre zwar auch zwei Nationalmannschaft-Prospects, die sich mit 25 und 23 Jahren in einem eher jungen Alter befinden und sich steigern können. Doch eigentlich muss man in der Genfer Defensive so oder so nur über zwei Namen sprechen. Mit Henrik Tömmernes und Sami Vatanen ist knapp die Hälfte der Eiszeit bereits vergeben. Der 32-jährige Tömmernes stand im Schnitt fast 26 Minuten auf dem Eis und hatte eine der besten Plus-Minus-Bilanzen (+19) der Liga. Der Schwede war mit 58 Skorerpunkten der produktivste Verteidiger seit Petteri Nummelin in der Saison 2008/09. Und auch Vatanen sammelte seit seiner Verpflichtung kurz nach Saisonbeginn einen Punkt pro Spiel. Deshalb stellt sich bei den Genfern in der Abwehr ausschliesslich die Frage, ob die beiden fit sind oder nicht? Falls ja, dann darf Genf gut und gerne je 40 Torbeteiligungen entgegennehmen. 

Fragezeichen im Tor

Wenn die Genfer eine Schwäche haben oder sich sorgen müssen, dann ist es auf der Goalie-Position. Gauthier Descloux hat zwar die Klasse, um einer der besten Goalies der Liga zu sein. Doch der 26-jährige Schlussmann hat auch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Das Tor teilt er mit einem alten Bekannten. Robert Meyer kehrt nach zwei Jahren in Davos frühzeitig nach Genf zurück. Im Bündnerland hatte es überhaupt nicht geklappt und deshalb wurde der Vertrag frühzeitig aufgelöst. Dementsprechend ist die Frage aber auch berechtigt, ob der 31-Jährige überhaupt wieder an sein früheres Niveau herankommt.

HockeyInfos Prognose

Dass die Genfer Tyler Moy ohne Gegenleistung an die Konkurrenz abgegeben haben, wohlgemerkt ein Nati-Prospect in einem guten Alter (27) und der drittbeste Schweizer Skorer des Teams, zeigt, wie ausserordentlich gut und breit sie vorne aufgestellt sind. Auch nicht zu unterschätzen ist, dass sie mit Richard, Filppula, Pouliot und Jooris vier der besten sechs Bullyspieler der letzten Saison mit mindestens 200 Faceoffs in den eigenen Reihen haben. Mit gewonnenen Faceoffs holt man zwar keine Punkte. Aber die Wahrscheinlichkeit für ein Bully-Tor in der Angriffszone oder ein Befreiungsschlag im Boxplay steigt logischerweise an. 

Und so könnten die Westschweizer ein echter Konkurrent für die ansonsten naheliegenden Favoriten werden, obwohl sie von vielen nicht unbedingt als Topfavorit gesehen werden. Rechnet man aber die punktbesten National League-Spielzeiten der bekannten Spieler zusammen, ist es die beste Mannschaft der Liga. 

Deshalb sagt HockeyInfo: direkte Playoff-Qualifikation mit Heimrecht